Eigenanteil bei Krankheitskosten: Finanzamt überweist Geld zurück

Wer schwer oder langfristig erkrankt, muss auch mit hohen Kosten rechnen. Nicht alle werden von der Krankenkasse übernommen. Oft müssen Betroffene große Summen selbst aufbringen. Die Belastung soll sich verringern – auch rückwirkend. Millionen Steuerzahler erhalten jetzt hunderte Euro vom Finanzamt zurück.

28.11.2018
  • Lesezeit ca. 3 Minuten
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    28.11.2018
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Fieberthermometer und Tabletten
© stevepb/pixabay.com

Vor knapp zwei Jahren fällte der Bundesfinanzhof ein Urteil, nach dem sich die Eigenbelastung bei Krankheitskosten verringern soll. Welche Auswirkungen dieses Urteil hat, zeigt sich jetzt. Denn laut Bundesfinanzhof wurde die Höhe des Eigenanteils für Krankheitskosten bisher falsch berechnet. Behörden und Finanzämter müssen nun handeln und unzähligen Betroffenen zu viel gezahlte Steuern erstatten.

Massenkorrekturen in ganz Deutschland

Allein in Nordrhein-Westfalen müssen rund 20 Millionen Steuerbescheide überprüft werden. In Rheinland-Pfalz sind es 300.000. in Bayer wurden bereits 1,2 Millionen Bescheide geändert, während in Baden-Württemberg rund eine Million und in Hessen 530.000 geänderte Steuerbescheide zu Buche schlagen.

Was haben Krankheitskosten mit der Steuer zu tun?

Ausgaben für das Privatleben haben im Grunde nichts mit Steuern zu tun. Es gibt aber sogenannte außergewöhnliche Belastungen, die eine Ausnahme darstellen. Sie entstehen in besonderen Lebenssituationen, wie zum Beispiel einem schweren Krankheitsfall. Zu den außergewöhnlichen Belastungen zählen Kosten, die

  • zwangsläufig entstehen,
  • notwendig, angemessen und außergewöhnlich sind
  • und eine finanzielle Belastung darstellen.

Einen gewissen Eigenanteil dieser Kosten müssen Steuerzahler selbst aufbringen. Dabei handelt es sich um die sogenannte zumutbare Belastung. Erst, wenn dieser Wert überschritten wird, können die Ausgaben bei der Steuererklärung geltend gemacht werden.

Was genau sind Krankheitskosten?

Arztkosten. Dazu gehören auch Zahnärzte, Heilpraktiker, Logopäden, Psychotherapeuten oder Physiotherapeuten.

Medikamente. Medikamente, Arzneimittel und Naturheilmittel, für die die Krankenkasse nicht aufkommt, die aber vom Arzt verordnet wurden.

Hilfsmittel. Dazu gehören „Hilfsmittel im engeren Sinn“, wie zum Beispiel Brillen, Zahnersatz, Hörgeräte und Rollstühle. Es gibt auch „Hilfsmittel im weiteren Sinn“, wie Spezialbetten oder Massagegeräte. Diese werden nur anerkannt, wenn die medizinische Notwendigkeit durch ein Attest bestätigt wird.

Fahrten. Fahrkosten zu Behandlungen oder (unter Umständen) Fahrten zu kranken Verwandten.

Alternative Behandlungsmethoden. Dazu gehören Akupunktur und Sauerstofftherapie.

Massagen & Co. Für Massagen, Bäder, Einläufe oder Heißpackungen muss ein ärztliches Attest vorliegen, das die medizinische Notwendigkeit belegt. Voraussetzung für Bade- und Heilkuren ist, dass sich eine drohende Krankheit abwenden lässt.

Pflegekosten. Kosten, die entstehen, wenn ein Angehöriger krankheitsbedingt in ein Alten- oder Pflegeheim ziehen muss.

Trinkgeld für Pflegepersonal. In angemessenem Rahmen sind Trinkgelder abzugsfähig. Wichtig ist, dass eine Quittung ausgestellt wird.

Begleitperson. Kosten für die Begleitperson eines hilflosen Angehörigen können abgesetzt werden.

Wie wurde die zumutbare Belastung bisher berechnet?

Die zumutbare Belastung richtet sich nach der Höhe des Gesamteinkommens und der familiären Situation. Die Zumutbarkeitsgrenze wird mit einem bestimmten Prozentsatz vom Gesamteinkommen berechnet. Es gelten drei unterschiedliche Stufen:

Familiäre SituationEinkünfte bis 15.340 €Einkünfte zwischen 15.340 und 51.130 €Einkünfte über 51.130 €
Keine Kinder,
Einzelveranlagung
5 %6 %7 %
Keine Kinder,
Ehegattensplitting
4 %5 %6 %
Ein oder zwei Kinder2 %3 %4 %
Drei oder mehr Kinder1 %1 %2 %

Was ändert sich durch das Urteil des Bundesfinanzhofes?

Bisher wurden die Prozentsätze auf das gesamte Einkommen bezogen. Wer also mehr als 51.130 Euro verdient hat, musste die höheren Prozentsätze komplett in Kauf nehmen. Seit der Bundesfinanzhof dieses Urteil gekippt hat, müssen nur noch die Beträge, die über der Zumutbarkeitsgrenze liegen, mit dem höheren Prozentsatz berechnet werden.

Beispielrechnung vom Bund der Steuerzahler:

Ein Single ohne Kinder verdient im Jahr 60.000 Euro. Seine zumutbare Eigenbelastung wird nach der alten Regelung mit 7 Prozent berechnet. Das ergibt 4.200 Euro, die er im Jahr selbst für Krankheitskosten aufwenden muss. Nach der neuen Regelung muss die Höhe der Eigenbelastung allerdings in Stufen berechnet werden. Und zwar wie folgt:

Für 15.340 Euro seiner Einkünfte beträgt die Eigenbelastung 5 Prozent. Für das Einkommen zwischen 15.340 und 51.130 Euro (also 35.790 Euro) gelten 6 Prozent und für die restlichen 8.870 Euro werden 7 Prozent gerechnet. Also:

  • 5 Prozent von 15.340 = 767 Euro
  • 6 Prozent von 35.790 Euro = 2147,40 Euro
  • 7 Prozent von 8.870 Euro = 620,90 Euro

Zusammen ergeben diese drei Teilbeträge eine Summe von 3.535 Euro. Die zumutbare Belastung für Krankheitskosten ist also um 665 Euro gesunken. Diesen Betrag kann der Betroffene zusätzlich von der Steuer absetzen. Von seinem persönlichen Steuersatz hängt dann ab, wie hoch die Steuerersparnis ausfällt. Im verhandelten Fall, der zu dem Urteil führte, sank die zumutbare Belastung eines Paars um 664 Euro, was eine Steuerersparnis von 300 Euro einbrachte.

Wer bekommt Geld zurück?

Wer ab dem 01. Juni 2017 einen Steuerbescheid erhalten hat, bekommt kein Geld zurück. Denn hier wurde die neue Regelung bereits berücksichtigt. Steuerbescheide, die zwischen August 2013 und Mai 2017 erteilt wurden, müssen hingegen geprüft werden. Falls nötig, erfolgt eine automatische Korrektur. Betroffene müssen also nichts tun. Wer zu viel gezahlt hat, bekommt das Geld vom Finanzamt zurück. Voraussetzung ist, dass Betroffene in ihrer Steuererklärung Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastungen angegeben und einen Steuerbescheid mit Vorläufigkeitsvermerk erhalten haben.


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