Feststellung einer Behinderung: Ein Überblick zum Einstieg

Eine Behinderung geht nicht automatisch mit einem Rollstuhl einher. Vielmehr zählen eine Vielzahl an Einschränkungen zu einem möglichen Behindertengrad. Wie lässt sich eine psychische oder physische Beeinträchtigung feststellen? Worauf ist bei einem Antrag zu achten und was nützt die offizielle Anerkennung?

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Mann im Rollstuhl mit Frau
© Lucky Business/www.shutterstock.com

Behinderungen zeichnen rund 10 Millionen Menschen allein in Deutschland auf sichtbare und unsichtbare Weise aus. Die täglichen Einschränkungen lassen sich mit ärztlichen Nachweisen begutachten und feststellen. Das führt in vielen Fällen zu einem sogenannten Nachteilsausgleich. Der geht bei einer entsprechenden Schwere der Benachteiligung weit über eine Steuererleichterung hinaus. Was bedeutet das – und wie kann der Schweregrad festgestellt werden?

Grundlagen der Behinderung: Wer ist betroffen?

Wer gilt als Person mit Behinderung? Eine solche Definition betrifft vor allem Personen, denen die gesellschaftliche Teilhabe nur eingeschränkt möglich ist. Dafür sind zwei Voraussetzungen zu erfüllen:

  1. Die gesundheitliche Beeinträchtigung dauert mindestens ein halbes Jahr.
  2. Die Auswirkungen gesundheitlicher Beeinträchtigungen entsprechen nicht jenen einer gleichaltrigen Durchschnittsperson.

Schweregrad einer Behinderung (GdB) – versorgungsmedizinische Grundsätze (VMG)

Das Ausmaß und die damit einhergehende Beeinträchtigung im gesellschaftlichen Lebensalltag ist als Schweregrad zwischen 0 und 100 (GdB) klassifiziert:

  • GdB 0 bis 10: keine Einschränkungen
  • GdB über 20: anerkannte Behinderung
  • GdB über 50: schwere Behinderung

Die Basis für diese Einordnung bildet die sogenannte Versorgungsmedizin-Verordnung. Sie enthält Grundsätze (VMG), die maßgeblich für die Anerkennung einer Behinderung sind. Die Verordnung informiert ausführlich, inwiefern Erkrankungen zu einer Feststellung führen können. Folgende beispielhafte Einschränkungen begünstigen einen GdB:

  • chronische Krankheiten, wie z. B. Migräne
  • dauerhafte Darmstörungen
  • rheumatische Erkrankungen, wie z. B. Arthrose, Arthritis, Fibromyalgie
  • Verlust der Geschlechtsorgane (Penis, Hoden, Gebärmutter, Eierstock, Brust)
  • Ohrgeräusche
  • Taubheit
  • Bronchialasthma
  • Herzkrankheiten, wie z. B. Herzrhythmusstörungen
  • Refluxkrankheit
  • Nierenschäden
  • Diabetes
  • Leukämie
  • HIV

Wichtig: Mehrere Einschränkungen mit eigens festgestellten Grad summieren sich nicht zu einem gesamten Behinderungsgrad! Die Funktionseinschränkung steht stattdessen für die Beurteilung und Ermittlung des GdB im Vordergrund.

Ausgleich bei Feststellung

  • 0 bis 10: kein Ausgleich
  • GdB 20: steuerliche Vorteile
  • GdB 30 bis 40: Schwerbehinderten-Gleichstellung und steuerlicher Freibetrag
  • GdB 50 bis 100: Preisermäßigung (Zoos, ÖPNV, Museen, einige Telefonanbieter, Kurtaxen); Steuervergünstigung; bis zu 2 Jahre frühere Rente; 1 Woche Erholungsurlaub extra

Tipp: Ist ein Pflegegrad nachweisbar, liegt ein Grad der Behinderung wahrscheinlich ebenso vor. Die Antragstellung lohnt sich deswegen. Der umgekehrte Fall gilt gleichfalls: Lässt sich ein GdB wegen gewisser Erkrankungen belegen, ist oft ein Pflegegrad beantragbar.

Behinderungsgrad erhalten: Antragstellung

Die Feststellung einer Behinderung erfolgt grundsätzlich durch einen Antrag beim verantwortlichen Versorgungsamt (vgl. § 152 SGB IX). Die Zuständigkeit für den Einzelfall ergibt sich aus dem Wohnort der betroffenen Person. Dagegen hängt die übergeordnete, behördliche Entscheidungsbefugnis vom jeweiligen Bundesland ab. Der Feststellungsantrag ist immer kostenlos stellbar.

Wichtig: Eine deutsche Staatsbürgerschaft ist für die Feststellung nicht nötig. Es genügt vielmehr, wenn Antragstellende bzw. Betroffene innerhalb Deutschlands wohnen und/oder arbeiten.

Einen Feststellungsantrag für eine Behinderung stellen Betroffene grundsätzlich für sich. Alternativ kann eine bevollmächtigte Person (Vertrauensperson, Notar, Rechtsanwalt) beauftragt werden. Dabei hilft es, den Antrag vollständig auszufüllen und direkt die passenden Nachweise sowie ein Passfoto beizufügen. Das kann das Feststellungsverfahren unter Umständen beschleunigen, weil das zeitaufwendige Nachreichen von Dokumenten wegfällt.

Bearbeitungszeit

Die Behörde sowie die vorliegenden Unterlagen beeinflussen maßgeblich die Bearbeitungsdauer. Personalausfälle oder ein gesteigertes Antragsmaß können die Antragsbearbeitung in die Länge ziehen. Dasselbe gilt für das nachträgliche Anfordern von ärztlichen Nachweisen. Wer gut vorbereitet den Antrag einreicht, kann diese Zeitspanne ggf. beschleunigen.

Eine schnellere Bearbeitungszeit ist für erwerbstätige Personen vorgesehen. Diese beschleunigte Bearbeitung benötigt bei der Antragstellung dann einen separaten Vermerk im Antrag. Eine Bearbeitungsdauer von bis zu 8 Wochen ist generell möglich.

Feststellungsbescheid

Sobald das Verfahren beendet ist, bekommen Antragsteller einen Bescheid zugestellt. Dieser kann entweder die Behinderung einordnen und bestätigen oder den Antrag ablehnen. Letzteres passiert bei einem Behinderungsgrad von 0 bis 10. Ab einem GdB 20 wird die Beeinträchtigung anerkannt. Betroffene können gegen einen Feststellungsbescheid Widerspruch einlegen. Das muss jedoch innerhalb von vier Wochen passieren. Ein einfaches Schreiben ans zuständige Amt erfüllt vorläufig diesen Zweck.

Der Bescheid beinhaltet zusätzlich einen Schwerbehindertenausweis, sobald ein GdB ab 50 feststellbar ist. Dieser Ausweis kann spezielle Merkzeichen, wie z. B. die folgenden enthalten:

  • RF = ermäßigter Rundfunkbeitrag
  • B = Begleitperson
  • H = Hilflosigkeit
  • Gl = Gehörlosigkeit
  • Bl = Blindheit
  • TBl = Taubblindheit

Der Ausweis gilt für fünf Jahre oder unbefristet bei entsprechender Behinderungsschwere. Behindertenparkplätze sind ausschließlich mit EU-Parkausweisen nutzbar. Diese sind bei vorliegender Blindheit (Bl) sowie außergewöhnlicher Gehbehinderung (aG) beziehbar. Betroffene mit einem GdB 30 oder 40 können nicht zuletzt einen Antrag auf Gleichstellung mit schwerbehinderten Personen stellen. Hierfür gelten zwei Voraussetzungen:

  • Die Arbeitszeit beträgt mehr als 18 Wochenstunden
  • Der Arbeitsplatz ist wegen der Behinderung ohne Gleichstellung gefährdet

Fazit

Wer mit sichtbaren oder unsichtbaren Einschränkungen zu kämpfen hat, kann einen Antrag zur Feststellung einer Behinderung beim Versorgungsamt stellen. Der Schweregrad wird anhand von Diagnosen und Gutachten durch Ärzte beurteilt. Dabei können bis zu 8 Wochen für die Bearbeitung vergehen. Der GdB ermöglicht ggf. einen Nachteilsausgleich zur gesellschaftlichen Teilhabe, wobei Betroffene mit einem Ablehnungsbescheid grundsätzlich Widerspruch einlegen können.


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