Behindertentestament: So kommt das Sozialamt nicht ans Erbe

Viele Menschen mit Behinderung sind auf Sozialleistungen angewiesen. Erben sie jedoch das Vermögen eines verstorbenen Angehörigen, wird es auf die Sozialleistungen angerechnet. Im schlimmsten Fall geht dann das komplette Erbe an den Staat und Hinterbliebene erhalten keine staatliche Hilfe mehr. Doch es gibt eine Möglichkeit, das zu verhindern.

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Mit Rollstuhl am See
© Halfpoint/www.shutterstock.com

Angehörige von Menschen mit Behinderung sind oft besonders gefordert, um alltägliche Herausforderungen zu meistern. Behinderte Kinder oder Ehepartner sind manchmal stark von ihren Angehörigen abhängig – auch in finanzieller Hinsicht. Logisch also, dass Angehörige ihr Vermögen so hinterlassen möchten, dass die Hinterbliebenen davon profitieren. Doch das ist leichter gesagt als getan. Denn beim gewöhnlichen Erbe kann es zu Problemen kommen.

Erbe wird auf Sozialleistungen angerechnet

Viele Menschen mit Behinderung sind auf staatliche Leistungen angewiesen, wie zum Beispiel Grundsicherung, Hilfe zur Pflege, Hilfe zum Lebensunterhalt oder Eingliederungshilfe. Diese Sozialleistungen sind für Menschen bestimmt, die wenig bis gar keine finanziellen Mittel haben, um sich selbst zu versorgen. Der Anspruch auf Sozialleistungen hängt also vom Einkommen und Vermögen eines Menschen ab.

Das Problem bei einem Erbe: Sobald ein Mensch mit Behinderung ein größeres Erbe antritt, muss er dieses nutzen und erhält keine Sozialleistungen mehr. Erst, wenn das geerbte Vermögen weitestgehend aufgebraucht sein sollte, besteht wieder ein Anspruch.

Enterben ist keine Option

Im ersten Moment scheint eine Enterbung als die beste Lösung, um die gewohnte Versorgung des behinderten Hinterbliebenen gewährleisten zu können. Doch weit gefehlt: Denn direkte Verwandte, also zum Beispiel Kinder oder Ehepartner, haben Anspruch auf einen Pflichterbteil. Dieser beträgt in der Regel die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Auf dieses Erbe kann das Sozialamt also zugreifen, auch wenn Sie Ihren behinderten Angehörigen enterbt haben.

Gesetzlicher Erbteil, was ist das?

Ein Beispiel: Sie sind verheiratet und haben ein Kind mit Behinderung. Laut Gesetz erben bei Ihrem Tod Ihr Ehepartner und Ihre beiden Kinder jeweils die Hälfte Ihres Nachlasses. Die Kinder teilen sich ihre Hälfte, sodass ihr Pflichterbteil bei jeweils ¼ liegt. Schließen Sie nun ein Kind vom Erbe aus, hat es immer noch Anspruch auf die Hälfte des Pflichterbteils, also auf 1/8 des Nachlasses.

In Zahlen: Angenommen, Ihr Nachlass beträgt 200.000 Euro. 100.000 Euro stehen Ihrem Ehepartner zu, die anderen 100.000 Euro werden unter den beiden Kindern geteilt, sodass jedes Kind Anspruch auf 50.000 Euro hat. Enterben Sie nun ein Kind, hat es immer noch Anspruch auf 25.000 Euro. Diese Summe müsste ein Kind mit Behinderung nun anstelle der Sozialleistungen einsetzen, bis nur noch ein gewisses Schonvermögen übrig ist.

Vorerbe und Nacherbe einsetzen

Um zu verhindern, dass behinderte Hinterbliebene durch das Erbe auf Sozialleistungen verzichten müssen, müssen Angehörige ein schriftliches Testament verfassen. Jedoch reicht in diesem Fall kein gewöhnliches Testament. Um das Vermögen zu schützen, müssen Erblasser ein sogenanntes Behindertentestament aufsetzen.

Das Besondere daran ist, dass Sie hier einen Vorerben und einen Nacherben einsetzen können. Der Erbe mit Behinderung wird zum Vorerben bestimmt. Der Nacherbe kann zum Beispiel ein Geschwisterteil sein. Im Todesfall erfolgt das Erbe in zeitlich versetzter Reihenfolge: Zuerst erhält der Vorerbe den Nachlass, dann der Nacherbe. Für gewöhnlich erbt der Nacherbe dann, wenn der Vorerbe verstirbt. Der Erblasser kann aber auch einen Zeitpunkt angeben, wann das Erbe vom Vorerben auf den Nacherben übergehen soll. Der Vorerbe kann deshalb nur eingeschränkt über den Nachlass verfügen. Der Erblasser kann den Vorerben aber von einigen Beschränkungen befreien.

Durch das Einsetzen eines Vorerben und eines Nacherben ist der Nachlass geschützt und bleibt vollständig in der Familie. Er muss nicht genutzt werden, um die Sozialleistungen zu ersetzen.

Testamentsvollstrecker bestimmen

Damit die Vorerbschaft angemessen verwaltet wird, sollte ein Testamentsvollstrecker bestimmt werden. Das bietet sich vor allem an, wenn der Vorerbe ein Mensch mit geistiger Behinderung ist, der selbst gar nicht in der Lage ist, diese finanziellen und rechtlichen Angelegenheiten zu verwalten.

Wichtig: als Testamentsvollstrecker sollten Sie nur eine Person einsetzen, der Sie voll und ganz vertrauen! Das kann zum Beispiel der andere Elternteil oder ein anderer Verwandter sein. Außerdem sollten Sie immer einen zweiten Testamentsvollstrecker benennen, der als Ersatz eintritt, wenn der erste Testamentsvollstrecker verstirbt oder nicht mehr in der Lage ist, die Vorerbschaft zu verwalten.

Auf jeden Fall professionelle Hilfe nutzen

Ein Testament für behinderte Angehörige aufzusetzen, ist keine einfache Angelegenheit. Deshalb sollten Sie sich unbedingt professionell beraten lassen und die einzelnen Schritte mit einem Anwalt oder Notar durchgehen. Nur so können Sie sicherstellen, dass Ihr Nachlass in Ihrem Sinne vererbt wird und Ihre Angehörigen davon profitieren können.


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