Finanzielle Hilfe: Wie Arbeitnehmer Beruf und Pflege vereinbaren können

Wer berufstätig ist und einen Angehörigen zu Hause pflegen möchte, kann seinen Job früher oder später nicht mehr im gleichen Ausmaß ausüben wie zuvor. Denn die Pflege kann selbst schnell zu einem Vollzeitjob werden. Arbeitnehmer haben mehrere Möglichkeiten, sich freistellen zu lassen. Zum Beispiel mit dem Pflegeunterstützungsgeld, der Pflegezeit, der Pflegefamilienzeit oder der Brückenteilzeit. Im Gespräch ist jetzt auch eine neue Regelung: Die Pflegezeit Plus.

06.05.2021
  • Lesezeit ca. 7 Minuten
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    06.05.2021
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Frau im Büro
© 27707/pixabay.com

Nachtrag der Redaktion vom 06.05.2021

Das sogenannte Pflegeunterstützungsgeld für pflegende Angehörige soll während der Coronakrise ausgeweitet werden. Es wird im Rahmen der Kurzzeitigen Arbeitsverhinderung an Angehörige ausgezahlt, die sich für eine plötzliche Pflegesituation von der Arbeit freistellen lassen. Die Dauer des Lohnersatzes soll nun wegen der Coronakrise von 10 auf 20 Tage verlängert werden.

Private Pflegepersonen müssen nicht nur für die Grundpflege eines kranken oder alten Menschen sorgen. Oft übernehmen sie automatisch auch weitere Aufgaben. Arztbesuche, Einkäufe, Haushaltsarbeit, Behördengänge und eine Menge Papierkram erledigen sich immerhin nicht von allein.

Für Arbeitnehmer mit einem Vollzeitjob ist das alles unmöglich zu schaffen. Wer sich der Pflege eines Angehörigen angemessen widmen möchte, muss sich beruflich einschränken. Oft ist das aber leichter gesagt als getan. Denn Pflege kostet nicht nur Zeit, sondern auch Geld. Lohneinbußen sind dann noch schwerer zu verkraften. Für Betroffene gibt es deshalb einige Möglichkeiten, eine vorübergehende berufliche Auszeit für die Pflege zu nehmen.

Die Möglichkeiten auf einen Blick

Nahe Angehörige können die kurzzeitige Arbeitsverhinderung, die Pflegezeit und die Familienpflegezeit in Anspruch nehmen. Dazu gehören Ehe- und (eingetragene) Lebenspartner, Eltern, Geschwister, Kinder, Großeltern, Schwiegereltern, Stiefkinder, Adoptivkinder, Pflegekinder, Schwiegerkinder, Enkelkinder, Schwägerinnen und Schwager. In jedem Fall haben Sie Anspruch auf Rückkehr in Ihren vorherigen Vollzeitjob. Für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gibt es grundsätzlich die Möglichkeit, in Brückenteilzeit zu gehen (ab einer bestimmten Unternehmensgröße). Außerdem ist aktuell die sogenannte Pflegezeit Plus im Gespräch, die die Grünen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer fordern.

Kurzzeitige Arbeitsverhinderung

Jeder Arbeitnehmer kann sich für bis zu zehn Tage von der Arbeit freistellen lassen, wenn eine plötzliche und akute Pflegesituation in der Familie auftritt. Besonders wenn die Pflegebedürftigkeit unerwartet eintritt, benötigen nahe Angehörige Zeit. In erster Linie, um für den Betroffenen zu sorgen. Aber auch, um längerfristige Pflege zu organisieren - also einen Pflegegrad zu beantragen, eine Pflegeform auszuwählen und andere Formalien sowie finanzielle Angelegenheiten zu regeln.

Für die kurzzeitige Arbeitsverhinderung muss kein schriftlicher Antrag gestellt werden. Sie kann spontan und ohne Ankündigungsfrist in Anspruch genommen werden. Allerdings müssen Sie den Verhinderungsgrund und die voraussichtliche Dauer nennen. Die zehn Tage müssen nicht an einem Stück aufgebraucht werden. Sie können sie auch auf einen längeren Zeitraum verteilen. Wichtig ist, dass die zehn Tage pro pflegebedürftiger Person gelten und nicht pro Arbeitnehmer. Werden zum Beispiel beide Eltern nacheinander pflegebedürftig, dürfen Sie jeweils zehn Tage beanspruchen. Andersherum gilt: Wird ein Elternteil pflegebedürftig und zwei Geschwister wollen die kurzzeitige Arbeitsverhinderung in Anspruch nehmen, stehen jedem nur fünf Tage zur Verfügung.

Eine Weiterzahlung des Lohns gibt es nur, wenn sie im Arbeitsvertrag vereinbart wurde. Ist das nicht der Fall, erhalten freigestellte Arbeitnehmer das Pflegeunterstützungsgeld. Es beträgt 90 Prozent des wegfallenden Nettolohns.

Achtung: Das Pflegeunterstützungsgeld gibt es nicht automatisch. Sie müssen es bei der Pflegekasse beantragen. Ein Pflegegrad muss dafür nicht vorhanden sein, oft aber eine ärztliche Bescheinigung, dass der Betroffene "voraussichtlich" pflegebedürftig wird.

Pflegeunterstützungsgeld zu selten genutzt

Als das Pflegeunterstützungsgeld im Jahr 2015 eingeführt wurde, hatte die Bundesregierung vor, ungefähr 100 Millionen Euro pro Jahr dafür auszugeben. Allerdings wurden 2018 gerade einmal 5,1 Millionen Euro beansprucht. 2017 und 2016 waren es jeweils sogar unter 5 Millionen Euro. Diese Zahlen legte der Bundestag Mitte des Jahres 2019 nach einer Anfrage der FDP vor (Drucksache 19/11550).

2018 erhielten lediglich um die 6.000 Menschen das Pflegeunterstützungsgeld. Und das, obwohl der Kreis der Berechtigten viel größer ist. Die Bundesregierung sei ursprünglich von rund 200.000 Beziehern pro Jahr ausgegangen.

Beim Pflegeunterstützungsgeld handelt es sich um einen Lohnersatz, den die Pflegekasse an Angehörige zahlt. Es soll zu Beginn einer auftretenden Pflegebedürftigkeit die spontane Freistellung von der Arbeit ohne große finanzielle Einbußen ermöglich, sodass Angehörige Zeit für das erste Krisenmanagement haben. Das Pflegeunterstützungsgeld muss beantragt werden und wird vermutlich oft aus Unwissenheit nicht genutzt.

Pflegezeit: Freistellung oder Teilzeit

Arbeitnehmer, die sich längere Zeit um einen pflegebedürftigen Angehörigen kümmern, können bis zu sechs Monate aus ihrem Beruf aussteigen. Die sogenannte Pflegezeit kann entweder für eine vollständige Freistellung oder für Teilzeitarbeit genutzt werden. Betriebe, die mindestens noch 15 weitere Mitarbeiter beschäftigen, sind verpflichtet, die Pflegezeit zu ermöglichen. Bei kleineren Betrieben ist eine freiwillige Absprache möglich. Arbeitnehmer haben nach der Pflegezeit das Recht, wieder in ihren Vollzeitjob zurückzukehren.

Die Pflegezeit muss zehn Tage vorher angekündigt werden. Wenn Sie die kurzzeitige Arbeitsverhinderung nutzen, können Sie am ersten Tag auch direkt die Pflegezeit ankündigen. Falls noch kein Pflegegrad bei Ihrem Angehörigen anerkannt wurde, sollten Sie sich schnell darum kümmern. Wenn Sie einen Antrag auf Pflegegrad bei der Pflegekasse stellen und nachweisen können, dass Sie die Pflegezeit bereits bei Ihrem Arbeitgeber angekündigt haben, muss das Gutachten spätestens zwei Wochen nach Antragstellung erfolgen.

Während der Pflegezeit erhalten Sie keinen Lohn vom Arbeitgeber. Allerdings besteht die Möglichkeit, den Lohnverlust mit einem zinslosen Darlehen des Bundesamtes für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA)auszugleichen. Es wird in monatlichen Raten ausgezahlt und muss nach Ende der Pflegezeit zurückgezahlt werden. Die Rückzahlung erfolgt ebenfalls in Raten.

Pflegezeit: Begleitung in der letzten Lebensphase

Eine besondere Form der Pflegezeit kann genutzt werden, um einen Angehörigen in seiner letzten Lebensphase zu begleiten. Bis zu drei Monate können Sie sich vollständig oder teilweise vom Beruf freistellen lassen. Das gilt auch, wenn der Angehörige in einem Hospiz oder einer vergleichbaren Einrichtung untergebracht ist. Häusliche Pflege und ein Pflegegrad sind nicht erforderlich. Im Fokus steht die Gelegenheit, Zeit mit dem Betroffenen zu verbringen.

Familienpflegezeit für maximal zwei Jahre

Wenn Sie sich der Pflege eines Angehörigen länger als sechs Monate widmen wollen oder müssen, können Sie die sogenannte Familienpflegezeit für bis zu zwei Jahre in Anspruch nehmen. Diese müssen Sie acht Wochen vorher bei Ihrem Arbeitgeber ankündigen. Außerdem ist eine vollständige Freistellung nicht möglich. Arbeitnehmer müssen während der Familienpflegezeit mindestens 15 Stunden pro Woche arbeiten. Voraussetzung ist außerdem, dass Ihr Arbeitgeber mindestens 25 weitere Personen beschäftigt. Erst dann haben Sie einen Rechtsanspruch auf die Familienpflegezeit. In kleineren Betrieben ist eine freiwillige Abmachung mit dem Chef möglich.

Die Familienpflegezeit können Sie darüber hinaus nur nutzen, wenn ein Pflegegrad vorliegt. Ist das nicht der Fall, gilt das Gleiche wie bei der Pflegezeit: Sie sollten sich so schnell wie möglich um den Antrag kümmern. Wenn Sie die Familienpflegezeit schon beim Arbeitgeber angekündigt haben, muss das Gutachten innerhalb von zwei Wochen erfolgen.

Auch während der Familienpflegezeit können Sie ein zinsloses Darlehen des Bundesamtes für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA)in Anspruch nehmen, um die Lohnverluste auszugleichen.

Achtung: Falls Sie vor der Familienpflegezeit schon die Pflegezeit in Anspruch genommen haben, verlängert sich die Ankündigungsfrist auf 12 Wochen. Außerdem darf die Kombination eine Dauer von insgesamt 24 Monaten nicht überschreiten.

Seit 2019 auch Brückenteilzeit möglich

Mit der Brückenteilzeit wird es Arbeitnehmern ermöglicht, ihre Arbeitszeit für ein bis fünf Jahre zu verringern und danach wieder in ihren Vollzeitjob zurückzukehren. Dieses Recht haben seit 2019 alle Arbeitnehmer in Unternehmen mit mindestens 45 Beschäftigten. Sie müssen dafür mindestens ein halbes Jahr in dem Betrieb beschäftigt sein. In größeren Unternehmern, die zwischen 46 und 200 Mitarbeiter beschäftigen, muss der Anspruch immer nur einem von 15 Angestellten gewährt werden.

Voraussetzungen für die Brückenteilzeit

  • Das Unternehmen beschäftigt in der Regel mehr als 45 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
  • Das Arbeitsverhältnis besteht länger als sechs Monate.
  • Die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer stellt beim Arbeitgeber einen Antrag, die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit für einen bestimmten Zeitraum, der zwischen einem und fünf Jahren liegt, zu verringern.
  • Es müssen keine bestimmten Gründe (z.B. Kindererziehung oder Pflege) vorliegen.
  • Der Antrag wird mindestens drei Monate vor Beginn der gewünschten Verringerung in Textform gestellt.
  • Es stehen keine betrieblichen Gründe, die die Organisation, den Arbeitsablauf oder die Sicherheit im Betrieb wesentlich beeinträchtigen, entgegen.
  • Für Arbeitgeber, die zwischen 46 und 200 Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen beschäftigen, gilt eine besondere Zumutbarkeitsgrenze: Selbst wenn die übrigen Voraussetzungen vorliegen, müssen diese Arbeitgeber nur einem pro angefangenen 15 Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen den Anspruch auf Brückenteilzeit gewähren.

Quelle: BMAS

Pflegezeit Plus: Grüne fordern mehr Unterstützung für Pflegende

Die Grünen fordern neue Regelungen für pflegende Angehörige, Freunde oder Nachbarn. Die bisherigen Regelungen seien nicht im Sinne der Betroffenen. Die Grünen-Fraktion setzt sich deshalb für bessere finanzielle Unterstützung für Arbeitnehmer*innen ein. Außerdem sollen diese Leistungen nicht nur familiären Angehörigen zustehen, sondern auch Freunden, Bekannten und Nachbarn. „Auch Menschen ohne verwandtschaftliche Beziehung sollen Anspruch auf Pflegezeit für pflegebedürftige Personen anmelden können und Lohnersatzleistungen erhalten“, heißt es auf der Webseite der Grünen.

Die Möglichkeit des zinsfreien Darlehens in der Pflegezeit oder der Familienpflegezeit sei nicht sinnvoll für Betroffene. Seit 2018 sei das Darlehen in nur 533 Fällen genutzt worden. Darüber hatte unter anderem der Deutschlandfunk berichtet. Die vorläufige finanzielle Unterstützung komme also für viele pflegende Angehörige nicht infrage.

Nach Vorbild des Elterngeldes schlagen die Grünen nun eine dreimonatige und bezahlte Freistellung für Arbeitnehmer vor. Außerdem fordern sie die Möglichkeit für pflegende Privatpersonen, die Arbeitszeit für bis zu drei Jahre zu reduzieren und finanziellen Ausgleich in Höhe von 67 Prozent des fehlenden Nettolohns zu erhalten.

Drei von vier Pflegebedürftigen werden in Deutschland laut Angaben der Grünen von Privatpersonen zu Hause gepflegt. „Es sind überwiegend Frauen, die diese Sorgearbeit neben ihrem Beruf übernehmen oder dafür ihre Berufstätigkeit unterbrechen. Dabei müssen sie Verdienstausfälle, langfristige Einkommenseinbußen und geringe Rentenansprüche in Kauf nehmen“, heißt es auf der Webseite der Grünen.

Text wurde aktualisiert und erschien ursprünglich am 19.12.2018

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