Patientenverfügung: Was Sie beachten müssen und welche Irrtümer es gibt

Über das eigene Leben und Sterben entscheiden, das ist nicht leicht. Was passiert, wenn Sie Ihre Meinung nicht mehr sagen können? Wenn Sie wegen eines Unfalls oder einer Krankheit nicht mehr in der Lage sind, sich zu verständigen? Wie sieht Ihre medizinische Behandlung aus, wenn Sie weder zustimmen noch ablehnen können?

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Älteres Paar beim Unterschreiben wichtiger Dokumente.
© Jacob Lund/www.shutterstock.com

Sich darüber Gedanken zu machen, fällt schwer. Deshalb werden solche Szenarien oft verdrängt. Sich davor zu drücken, ist verlockender als die Aussicht, mit dem eigenen Krankheits- oder Todesfall konfrontiert zu werden. Doch wer selbstbestimmt leben und auch sterben will, kommt nicht umhin, rechtzeitig eine Grundlage dafür zu schaffen.

Denn wenn Sie nicht in der Lage sind, mit anderen zu kommunizieren, fällt es sogar nahestehenden Menschen schwer, Ihren Willen zu erraten. Dann ist eine Patientenverfügung nicht nur eine Sicherheit für Sie selbst, sondern auch für Ihre Angehörigen. Bewahren Sie sie vor dem Gefühl, unmögliche Entscheidungen treffen zu müssen und erhalten Sie gleichzeitig Ihr Selbstbestimmungsrecht.

Was ist eine Patientenverfügung?

Eine Patientenverfügung ist eine schriftliche Verfügung über medizinische Maßnahmen, die unter bestimmten Umständen ergriffen oder aber unterlassen werden sollen. Sie können darin also festhalten, welche Behandlungen und lebenserhaltenden Maßnahmen Sie wünschen und welche nicht. Sie halten mit der Patientenverfügung Ihren Willen schriftlich fest, für den Fall, dass Sie durch eine Krankheit oder einen Unfall nicht mehr in der Lage sind, ihn selbst zu äußern und entsprechende Entscheidungen zu treffen. Zusätzlich zur Patientenverfügung sollten eine Vorsorgevollmacht und eine Betreuungsverfügung verfasst werden, damit im Ernstfall auch Angelegenheiten geregelt sind, bei denen es nicht nur um medizinische Fragen geht.

Irrtum 1
„Ich weiß selbst nicht, was ich will.“

Eine Entscheidung über den eigenen Krankheits- oder Todesfall zu treffen, ist sicherlich nicht einfach. Doch wer es schon für sich selbst schwierig findet, muss sich fragen, wie es Angehörigen ergehen wird. Eine Patientenverfügung kann auch dann sinnvoll sein, wenn Sie nicht zu jeder Einzelheit eine Entscheidung treffen können oder wollen. Auch bestimmte Bitten und Anregungen können Familienangehörigen und Ärzten zumindest teilweise helfen, sich richtig und in Ihrem Sinne zu verhalten. Formulieren Sie religiöse Ansichten, allgemeine Wertvorstellungen und Lebenseinstellungen. In Fällen, die Sie nicht konkret benannt haben, können solche Richtlinien zur Ermittlung Ihres mutmaßlichen Willens ausschlaggebend sein.

Was ist eine Vorsorgevollmacht?

Mit einer Vorsorgevollmacht erteilen Sie jemand anderem die Ermächtigung, in Ihrem Namen zu handeln. Anders als die Patientenverfügung, die sich nur auf medizinische Fragen bezieht, sorgt die Vorsorgevollmacht dafür, dass auch andere Angelegenheiten von einer Person Ihres Vertrauens geregelt werden können. Dazu gehören unter anderem Finanzen, Pflegebedürftigkeit und Wohnangelegenheiten. Eine Vorsorgevollmacht tritt in Kraft, wenn Sie die Geschäfts-, Urteils- oder Äußerungsfähigkeit verlieren. Die Vollmacht sollte immer zusätzlich zu einer Patientenverfügung erstellt werden. Für welche Bereiche die Vollmacht in welchem Ausmaß gelten soll, können Sie individuell bestimmen.

Irrtum 2
„Ich lasse meine Angehörigen entscheiden.“

Angehörige und Ehepartner gelten nicht automatisch als Vertreter. Damit sie Entscheidungen treffen dürfen, wird die Vorsorgevollmacht benötigt.
Sollte keine Vorsorgevollmacht vorliegen, wird ein Betreuer vom Betreuungsgericht bestellt, der sich um alle Angelegenheiten kümmert. Es bietet sich an, auch eine Betreuungsverfügung aufzusetzen und einen Betreuer zu bestimmen. Sie kommt zur Geltung, wenn es Probleme mit der Vorsorgevollmacht geben sollte.

Was ist eine Betreuungsverfügung?

Eine Betreuungsverfügung kommt dann infrage, wenn Sie keiner bekannten Person das nötige Vertrauen für eine Vorsorgevollmacht entgegenbringen oder wenn es Probleme mit der Vorsorgevollmacht geben sollte. In der Betreuungsverfügung halten Sie fest, wer Ihre Angelegenheiten regeln darf, wenn Sie selbst nicht dazu in der Lage sind. Die gewünschte Person wird dann vom Gericht als Betreuer bestellt und überwacht. Für den Fall, dass die von Ihnen genannte Person nicht als Betreuer infrage kommt, können Sie noch eine weitere Person ernennen. Außerdem haben Sie die Möglichkeit, festzuhalten, wer auf keinen Fall Ihr Betreuer werden soll.

Irrtum 3
„Ich bin noch jung und fit.“

Das Alter und der aktuelle Gesundheitszustand spielen in diesem Zusammenhang keine Rolle. Auch junge Menschen können erkranken oder zu Unfallopfern werden. Ärzte und Angehörige können ohne Patientenverfügung nicht wissen, wie Sie zu bestimmten Behandlungsmethoden stehen oder was im Falle eines langfristigen Komas Ihr Wunsch wäre.

Wer sollte eine Patientenverfügung verfassen?

Grundsätzlich sollte jeder erwachsene Mensch eine Patientenverfügung erstellen. Einzige Voraussetzung ist die Volljährigkeit. Ab einem Alter von 18 Jahren sollte sich also jeder Gedanken über den Ernstfall machen und seinen Willen schriftlich festhalten. Denn es geht nicht nur um das eigene Wohl und das Selbstbestimmungsrecht. Eine Patientenverfügung sollte immer auch für die Angehörigen verfasst werden. Für sie ist es eine enorme Erleichterung, wenn Sie wissen, dass in Ihrem Interesse gehandelt wird.

In welchen Situationen gilt die Patientenverfügung?

Die Patientenverfügung tritt erst in Kraft, wenn Sie nicht mehr ansprechbar sind und Ihren Willen nicht mitteilen können. Welche Szenarien genau eintreten müssen, damit Ihre Patientenverfügung gilt, können Sie selbst festlegen. Es ist möglich, mehrere Situationen in der Verfügung anzugeben: Das Endstadium einer tödlichen Krankheit, den unmittelbaren Sterbeprozess, eine fortgeschrittene Demenzerkrankung, eine unheilbare Gehirnschädigung oder Ähnliches.

Muss eine Patientenverfügung schriftlich erfolgen?

Ja. Eine Patientenverfügung ist nur gültig, wenn sie schriftlich verfasst wurde. Die einfache Schriftform genügt, damit Ihre Angaben wirksam werden. Sie können die Patientenverfügung am Computer oder per Hand verfassen. In jedem Fall müssen Sie daran denken, sie zu unterschreiben. Ohne Unterschrift kann die Patientenverfügung im Ernstfall nicht berücksichtigt werden.

Irrtum 4
„Ich erzähle einfach jemandem, was ich will.“

Mündlich können Sie keine Patientenverfügung verfassen. Viele Menschen neigen dazu, ihren Angehörigen oder Freunden zwischen Tür und Angel zu erzählen, wie Sie zu gewissen Behandlungen oder zum Tod stehen. Doch auf einer solchen Grundlage kann niemand ernsthafte Entscheidungen treffen. Schon gar nicht, wenn das Gespräch schon längere Zeit her ist. Deshalb müssen Sie Ihre Wünsche schriftlich festhalten. Es ist natürlich trotzdem hilfreich, mit der bevollmächtigten Person über die Inhalte zu sprechen und Ihre Entscheidungen zu erklären.

Muss ein Notar die Patientenverfügung beglaubigen?

Nein. Damit Ihre Patientenverfügung gültig ist, muss sie nicht notariell beglaubigt werden. Allerdings bietet es sich an, einen Notar zurate zu ziehen. Er kann Sie in formellen Dingen beraten und Ihnen genau sagen, ob Sie etwas vergessen haben oder ob Ihnen ein Fehler unterlaufen ist.

Muss ein Arzt die Patientenverfügung unterschreiben?

Nein, auch das ist nicht erforderlich. Die Unterschrift eines Arztes ist keine Voraussetzung für die Gültigkeit Ihrer Patientenverfügung. Bedenken Sie aber, dass es sich teilweise um komplexe medizinische Themen handelt, deren Tragweite Sie vielleicht nicht ganz nachvollziehen können. Ärztlicher Rat ist beim Verfassen einer Patientenverfügung sehr hilfreich. Ihr Arzt kann Ihnen nicht nur bei der Formulierung helfen, sondern auch auf wichtige Inhalte hinweisen und Ihnen die Folgen Ihrer Entscheidungen erklären. So gehen Sie auf Nummer sicher, dass Sie auch verstanden haben, was Ihre Patientenverfügung im Ernstfall bedeutet.

Was muss in der Patientenverfügung stehen?

Wichtig sind natürlich Name, Nachname, Geburtsort, Geburtsdatum und Anschrift. Neben diesen Formalien können Sie alle medizinischen Situationen, die im Notfall nach Ihren Vorstellungen berücksichtigt werden sollen, entsprechend aufführen. In der Regel beinhaltet eine Patientenverfügung folgende Themen: Persönliche Einstellung und Grundwerte, gegebenenfalls religiöse Ansichten, Einstellung zu lebenserhaltenden Maßnahmen, Wiederbelebung, Schmerz- und Symptombehandlung, künstlicher Ernährung, Beatmung und Flüssigkeitszufuhr, Organspende, Aufenthalt und Begleitung und so weiter. Grundsätzlich gilt: Nichts davon ist ein Muss. Sie sind nicht gezwungen, sich in ihrer Patientenverfügung zu allen erdenklichen Behandlungen und Szenarien zu äußern.

Reicht eine Vorlage aus dem Internet?

Wenn Sie nicht wissen, wie Sie das Ganze angehen sollen, kann ein Muster aus dem Internet hilfreich sein. Auf unserer Webseite finden Sie eine Vorlage mit Checkliste, an der Sie sich orientieren können. So verschaffen Sie sich zunächst einen Überblick über die relevanten Inhalte und können sich mit den entscheidenden Fragen in Ruhe auseinandersetzen. Übernehmen Sie das Dokument aber nicht blind. Eine Patientenverfügung behandelt sehr individuelle Themen, denen ein fertiges Formular nicht vollständig gerecht werden kann.

Irrtum 5
„Allgemeine Angaben sind immer richtig.“

In manchen Fällen sind allgemeine Angaben besser als gar keine. Drücken Sie sich dennoch nicht davor, sich über möglichst viele Szenarien präzise Gedanken zu machen. Denn ungenaue Formulierungen machen die Patientenverfügung unter Umständen unbrauchbar. Situationen, für die die Patientenverfügung gelten soll, müssen deutlich benannt werden. Formulierungen wie „Wenn ein würdevolles Leben nicht mehr möglich ist …“ sind nicht präzise genug. Ärzte können danach nicht handeln, weil jeder Mensch eine andere Vorstellung von einem würdevollen Leben hat.

Wo soll ich die Patientenverfügung aufbewahren?

Am besten wählen Sie einen Ort, an dem die Patientenverfügung leicht aufzufinden ist. Im Ernstfall muss es schnell gehen. Wenn Angehörige die Verfügung nicht finden können, kommt sie auch nicht zum Einsatz. Ärzte und Angehörige müssen dann Ihren mutmaßlichen Willen ermitteln. Dieser kann von Ihren tatsächlichen Wünschen stark abweichen. Im Idealfall besprechen Sie den Aufbewahrungsort mit Ihren Angehörigen. Sie können auch Kopien anfertigen und bei Angehörigen, Freunden oder Ihrem Hausarzt hinterlegen. Außerdem bietet es sich an, eine Notiz mit dem Aufbewahrungsort im Portemonnaie zu verstauen.

Wie bekommt mein Arzt die Patientenverfügung?

Die Patientenverfügung kann dem behandelnden Arzt von einer Vertrauensperson übergeben werden. Deshalb ist es so wichtig, dass Sie mit jemandem über die Verfügung sprechen. Wenn niemand weiß, dass es sie gibt und wo Sie sie aufbewahren, kann sie auch nicht berücksichtigt werden.

Muss der Arzt meine Wünsche befolgen?

Ja, Ärzte sind dazu verpflichtet, sich an Patientenverfügungen zu halten. Der Bundesgerichtshof hat im Jahr 2003 entschieden, dass das Missachten des Selbstbestimmungsrechts die Würde des Menschen verletzt. Voraussetzung ist, dass der aktuelle medizinische Zustand in der Verfügung erfasst wurde und Sie Ihre Wünsche konkret formuliert haben. Wenn dies nicht der Fall ist, ermittelt ein Bevollmächtigter Ihren mutmaßlichen Willen und entscheidet gemeinsam mit dem Arzt.

Was, wenn ich keine Patientenverfügung habe?

Wenn keine Patientenverfügung vorliegt, entscheidet ein Bevollmächtigter für Sie. Ihr Wille kann dann nur mutmaßlich ermittelt werden. Es besteht die Gefahr, dass Behandlungen vorgenommen werden, die Sie gar nicht wünschen. Lebenserhaltende Maßnahmen könnten zum Beispiel zu lange oder nicht lange genug durchgeführt werden. Bevollmächtigte befinden sich ohne Patientenverfügung in einer sehr schwierigen Situation und müssen Entscheidungen treffen, die ihnen oft unmöglich erscheinen.

Irrtum 6
„Ich habe Angst, mich falsch zu entscheiden.“

Diese Sorge ist natürlich berechtigt. Im Vorfeld über Situationen zu entscheiden, die man selbst gar nicht recht beurteilen kann, ist beängstigend. Diese Angst sollte aber kein Grund sein, auf eine Patientenverfügung zu verzichten. Denken Sie daran: Sie können in Ruhe über alles nachdenken. Niemand zwingt Sie dazu, irgendwelche konkreten Entscheidungen zu treffen. Außerdem können Sie die Patientenverfügung jederzeit widerrufen oder ändern.

Was passiert, wenn ich meine Meinung ändere?

Wenn Sie sich in bestimmten Fragen umentscheiden, ist das kein Problem. Sie können Ihre Patientenverfügung jederzeit ändern und auf den neusten Stand bringen. Wenn Sie Änderungen vornehmen, achten Sie darauf, dass Sie die Verfügung erneut mit aktuellem Datum unterschreiben. Für den Fall, dass die Patientenverfügung nicht mehr Ihrem Willen entspricht, Sie aber nicht in der Lage sind, sie zu ändern, können Sie sie mündlich widerrufen.

Muss die Patientenverfügung aktualisiert werden?

Nein, es ist keine Pflicht, die Patientenverfügung zu aktualisieren. Es bietet sich aber trotzdem an, sie in regelmäßigen Abständen zu überprüfen und gegebenenfalls Änderungen vorzunehmen. Wenn Sie sich zu lange nicht mit der Patientenverfügung auseinandersetzen, geraten Inhalte schnell in Vergessenheit. Sie haben vielleicht Wünsche festgehalten, die nach einiger Zeit nicht mehr gültig sind.


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